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Palästina 

Kurzsichtige- Positionen zum komplexen Thema "Palästina" - Hebron
entnommen aus Der Standard

 

 

Vorwort: Der nachfolgende Artikel und einige Reaktionen in einer Tageszeitung, sind ein typisches Beispiel für Positionen der Kurzsichtigkeit zum Thema Palästina. ......... eine umfangreichere Darstellung des weit zurückreichenden Komplexes, wäre daher wohl angebracht; ........ der Prophet Abraham (der Friede und Segen Allahs sei auf ihm), flüchtete aus der Stadt Ur (im heutigen Iraq) nach Palästina, weil er gegen den Götzendienst auftrat; ........der Prophet Yaqub (der Friede und Segen- Allahs sei auf ihm), war ein Nachkomme Abrahams, lebte in Palästina und wurde mit "Familiennamen" Israel genannt; später zog er nach Ägypten;.......die Flucht seiner in Ägypten gross gewordenen Nachfahren (die Söhne Israels) führte zum Bau des "Tempel" von Jerusalem .....; das Volk Israels hatte damals den muslimischen Glauben, da der Islam eben nicht erst mit dem Propheten Muhammad (der Friede und Segen Allahs sei auf ihm) beginnt, sondern nur eine notwendige Auffrischung der immer selben Lehre erfuhr; ...... genauso wie vorher Jesus (der Friede und Segen Allahs sei auf ihm), den Juden keine neue Lehre verkündete .....; Ich nehme an, der durchschnittliche Leser merkt, dass er diese Ebene der Geschichte nicht gut kennt. Ich hoffe aber, dass ich einmal die entsprechenden Information zum Thema zum Palästina darzustellen vermag oder entsprechende Texte finde, damit Berichte wie z.B. die nachfolgenden, in einem in die Tiefe des Glaubens reichenden Kontext verstanden werden können. Das Problem Palästina ist, ohne den Islam zu verstehen, unlösbar, auch wenn Bewohner Palästinas manchmal nur mehr dem Namen und einiger kultureller Oberflächen wegen, Muslime sein mögen.

 

Muhammad Müller, am 2. Muhharram 1423 (17.märz 2002)


Eine- Woche Besatzungsrealität entnommen aus Der Standard, 9./10. Februar 2002

Aufzeichnungen eines Medienkonsumenten von einer Reise nach Hebron, von Wilhelm Langthaler (Der Autor ist technischer Angestellter in Wien.)

Folgt man dem Tenor der aktuellen medialen Berichterstattung, scheint sich in Nahost das Schema von palästinensischem Terror und israelischer Gegengewalt unaufhörlich zu wiederholen. Entspricht dieser Eindruck aber auch der Realität? Als politisch interessierter Bürger und kritischer Medienkonsument suchte ich nach einer Möglichkeit, mir durch eine Reise in die Zentren des Konflikts einmal selbst ein Bild zu machen. Als sich die Gelegenheit bot, gemeinsam mit Deutschen, Italienern und Amerikanern an einer Delegation der "Österreichischen Palästina-Solidarität" (einer Plattform verschiedener Menschenrechtsaktivisten) teilzunehmen, sagte ich daher zu: Anfang des Jahres besuchten wir Gaza und das Westjordanland.
Wohl wissend, dass es sich dabei um keine neutrale Beobachtermission handelte, dachte ich dennoch nicht, dass das- schlichte Erlebnis einer einzigen Woche Besatzungsrealität das von den Medien geprägte Bild völlig auf den Kopf stellen könnte.
Im Grunde reichten für einen tieferen Einblick bereits wenige Stunden in Hebron, der Stadt, in der das Grab des von Juden, Christen und Muslimen gleichermassen verehrten Patriarchen Abraham liegt. Dort versuchen einige wenige Hundert radikale Siedler das Zentrum der rund 150.000 arabische Einwohner zählenden Stadt in einem Kampf Haus um- Haus zu erobern. Erwartet man sich allerdings tiefreligiöse Eiferer, so wird man rasch durch die mit sturmgewehr, Splitterweste und Funkgerät ausgerüsteten jugendlichen Rambos, die in den gespenstisch leeren Strassen patrouillieren, eines Besseren belehrt. Zotteliges langes Haar, verspiegelte Brillen, ausgewaschene Jeans - man vermeint, ungewollt in einen amerikanischen Action-Thriller geraten zu sein, und tatsächlich stammen die meisten der Siedler aus den USA.



"Araber raus"

Ausnahmslos alle arabischen Geschäfte, die wir unter ständiger Aufsicht der Armee passieren durften, waren mit einem Davidstern besprayt, der häufig durch die hebräische Aufschrift "Tod den- Arabern" oder "Araber raus" ergänzt wurde. Auf die Frage, warum er denn diese Schmiererei nicht übermale, meinte ein verstörter Ladenbesitzer, dass diese sofort wieder erneuert würden und man sich überdies Repressalien durch die Armee aussetze, die eine Übermalung als Schändung religiöser Symbole auslege.

Wäre es für die hiesigen Medien nicht angezeigt, auch von dieser Realität der Besatzung zu berichten, um Lesern, Hörern und Zusehern die zum Verständnis des Konflikts notwendigen Einblicke in dessen Ursachen zu geben? Für mich jedenfalls hat sich die palästinensische Gewalt eindeutig als Reaktion auf das anhaltende Unrecht der israelischen Besatzung dargestellt, das ein ganzes Volk in eine für uns privilegierte Europäer schier unvorstellbare Lebenslage zwingt. Erwähnt seien hier nur die massive- Einschränkung der Bewegungsfreiheit, die Errichtung neuer israelischer- Siedlungen auf palästinensischem Boden, die Enteignung und Zerstörung palästinensischer Häuser, der Bau von ausschliess lich dem Militär und Siedlern vorbehaltenen- Strassen, die Entwurzelung von Bäumen und die vorsätzliche Vernichtung agrarischer Flächen sowie die höchst ungerechte Aufteilung der mehr als- knappen Wasserressourcen.

Die Parteilichkeit des Westens, vor allem der USA, lässt die Lage für die Palästinenser hoffnungslos erscheinen und ist der Boden, auf dem Verzweiflungstaten gedeihen. Wirklich zu denken gab mir schliess lich eine Begegnung mit einer alten Frau in Gaza, die wenige Stunden zuvor mit ansehen musste, wie ihr ganzes Hab und Gut unter den Planierraupen der israelischen Armee verschwand. sie fragte: "Und was tut Europa?" Mir bleibt nur, diese Frage als Appell an den demokratischen Journalismus weiterzuleiten ...

 

Eines Tages in Hebron
betrifft: Gastkommentar "Eine Woche Besatzungsrealität" von Wilhelm Langthaler

Kurt Karlitzky, 1190 Wien  DER STANDARD,- 9. 2. 2002

Ich will hier nicht gegen Herrn Langthaler polemisieren, sondern nur einige Fakten zum Thema Hebron einbringen: Im jahre 1929 gehörte die Stadt- Hebron zum damaligen britischen Mandatsgebiet, und in dieser Stadt wohnten- Araber und Juden. Die Juden in Hebron waren keine Rambos, keine Siedler, keine Besatzer, sondern gross teils religiöse Bürger, die Ruuhhig ihrer täglichen Arbeit nachgingen. Eines Tages, in diesem Jahr 1929 überfielen Araber ihre jüdischen Mitbürger in ihren Häusern und Geschäften und massakrierten 67 Männer, Frauen und Kinder. Während dieses Pogroms wurden die Mörder vom Mob angefeuert durch den traditionellen arabischen Schlachtruf "Etbach el jahud" ("Schlachtet die Juden"). Die Mörder nahmen dann die herrenlosen Häuser in Besitz. Die Davidsterne, die Herr Langthaler an diversen Lokalitäten sah, wurden von den Nachkommen der Ermordeten angebracht, um zu dokumentieren, dass es geraubtes jüdisches Eigentum ist . . .


Den Hass auf den Staat Israel mit der Muttermilch aufgesogen
Kritische Anmerkungen zu einem politischen Reisebericht aus Hebron

Timna Brauer  DER STANDARD, 19. Februar 2002

Wilhelm Langthaler beschrieb an dieser Stelle (14. 2.) Details der israelischen Besatzung in Hebron, über die die Medien hierzulande eher selten informieren. In israelischen Zeitungen sind diese Details aber sehr wohl bekannt, sie wurden oft geschildert und in manchen Artikeln auch scharf verurteilt. Nicht umsonst weigert sich erstmals eine gross e Anzahl von Reservisten in den besetzten Gebieten zu dienen. Als halbe Israelin- habe ich selbst drei Kriege teilweise hautnah in diesem Land erlebt und dabei auch die Entwicklung des Bewusstseins einer palästinensischen Identität mitgemacht. Von den desolaten Flüchtlingslagern an den Grenzen habe ich als Kind zum ersten Mal in den Siebzigerjahren gehört. Teils vertrieben, teils- freiwillig gegangen - was hier überwog, konnte mir bis heute noch niemand genau sagen! -, haben sich die Palästinenser nicht in die Gesellschaft der arabischen Länder integriert, sondern wurden vor allem im Libanon fast rechtlos und ohne Staatsbürgerschaft jahrzehntelang in Flüchtlingsgettos gehalten. Zur selben Zeit wurden- aus den arabischen Ländern Hunderttausende Juden vertrieben, denen nach anfänglichen Schwierigkeiten die Integration in die westlich orientierte israelische *Gesellschaft durchaus gelang. Warum diese Diskrepanz? Für sehr viele Israelis sind die vor allem jüdisch-amerikanischen Siedler in den besetzten- Gebieten lebensmüde Fanatiker, die nur unfreiwillig beschützt werden. Für eine gross e Mehrheit der Palästinenser dagegen sind die Selbstmordattentäter die Helden der Nation.

Ich frage mich immer wieder, wo sind die arabischen Stimmen, die eine Gegenbewegung zur Gewalt bilden, wo sind die Linken, die Liberalen, die endgültig die Existenz Israels akzeptiert haben? In Israel war die "Peace now"-Bewegung so ein- Katalysator, der wesentlich dazu beigetragen hat, dass Barak sich traute, über- das heikle Thema Jerusalem zu verhandeln. Die Israelis wären zu diesem Opfer bereit gewesen - nun aber ist "Peace now", sieht man von der einen oder anderen Demonstration ab, wie gelähmt.

Ny Verdana-Autor Thomas Friedman (STANDARD, 14. 2.) hat ganz Recht: Premier Sharon ist eine Erfindung Arafats und der Intifada. Dass er vom Schandfleck der Nation (Mitverantwortung- der Massaker in Sabra und Shatila) zum geachteten Führer mutiert ist, macht die Verunsicherung der Menschen deutlich.

Durch die Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Palästinenser und die Schikanen der Kontrollen werden täglich so viele Attentate verhindert, dass darüber kaum berichtet wird, um- die israelische Bevölkerung nicht in Panik zu versetzen.
Ich möchte daher die Schlussfolgerung von Wilhelm Langthaler differenzieren: Die palästinensische Gewalt ist nicht eine Reaktion auf die Besatzung, die seit der Intifada "bombardiert, enteignet und zerstört". Die palästinensische Gewalt hat ihren Ursprung in der totalen Ablehnung eines Staates Israels auf palästinensischem Boden.
Die jungen Männer und Frauen sprengen sich nicht in die Luft, weil sie gedemütigt, arbeits- und hoffnungslos sind, also nicht als Reaktion auf die Besatzung, sondern weil sie den Hass gegen den zionistischen Staat mit der Muttermilch aufgesogen haben. Schon in der Familie, später im Kindergarten und in der Schule und dann in- speziellen Ausbildungslagern wird der Hass indoktriniert: Israel existiert als- Land in den Schulbüchern nicht, es werden Schiessübungen auf jüdische Puppen trainiert usw.

Wenn es schon von ganz unten nicht stimmt, dann ist es eigentlich völlig egal, wer regiert und verhandelt. In so einem Klima kann selbstkritisches und differenziertes Denken nur schwer gedeihen.
Ich kenne Palästinenser, die diesen Weg geschafft haben, sie leben aber alle im Ausland. Sie geben auch offen zu, dass nur ganz wenige ihrer Landsleute erkennen, dass sie ihre Misere auch teilweise sich selbst zuzuschreiben haben. Die historische Chance auf einen Palästinenserstaat mit der Hauptstadt Jerusalem scheint jedenfalls auf Jahrzehnte hinaus verpasst, zu viel Hass wurde gepredigt, obwohl Barak israelische Tabus gebrochen und "Peace now" den Dialog gesucht hat.
Aber die Mühe lohnt sich in jedem Fall - auch die, die aufgegeben haben oder nie daran geglaubt haben, sie alle täten gut daran, schnellstens eine stabile Lösung für einen Palästinenserstaat zu finden, sonst wird sich das ganze Problem aus demografischen Gründen von selbst erledigen: In einigen Jahrzehnten gibt es in Israel eine arabisch-muslimische Mehrheit, und der Judenstaat war eine wilde Episode der Nachkriegszeit.

Musikerin und Leiterin von "Voices for Peace" - einer Projektgruppe, die mit palästinensischen und israelischen Chören Anfang März auf Österreichtournee geht. 


Wider das Lagerdenken

über eine Reise nach Hebron und den "Hass in der Muttermilch": Anmerkungen zur Debatte um den Nahostkonflikt am Beispiel der Standard-Kontroverse zwischen Wilhelm Langthaler und Timna Brauer - und zur Empörung über Haiders Irakbesuch.

DER StANDARD, 27. Februar 2002

Susanne Ayouk (geboren in Bagdad, lebt als Autorin für Rundfunk, Film und Theater in Wien.)

Alltagsbilder aus Hebron: leere Strassen, durch die waffenstarrende Rambos patrouillieren; mit Davidsternen und "Araber raus!"-Slogans vollgesprayte Geschäftslokale; Ladenbesitzer, die fürchten, dass die Armee das Wegwischen der Parolen als Schändung religiöser Symbole bestrafen würde. Ein Kampf, der nicht von religiösen- Fanatikern geführt wird, sondern von wild gewordenen Militaristen. - Wilhelm Langthaler gab in seinem Reisebericht (9. 2.) eine ganz anders geartete Erklärung als die mir bekannte, gewohnte: dass die Gewalt der Palästinenser eine nachvollziehbare Reaktion auf das anhaltende, eklatante Unrecht ist, das den Menschen durch die israelische Armee widerfährt. Einige Tage darauf (19. 2.) folgt Timna Brauers Antwort: Die gewalttätige Politik eines Sharon hätten- sich die Palästinenser selbst zuzuschreiben. Denn: Wer hat mit der Gewalt angefangen? Wer anerkennt den Staat Israel nicht? Na eben, da habt ihr's. Und: Palästinensische Frauen und Männer sprengen sich nicht in die Luft, weil sie gedemütigt, arbeits- und hoffnungslos sind, sondern weil sie den zionistischen Staat hassen.

Die schöne und sympathische Künstlerin Timna Brauer ist auch politisch engagiert - bei der Bewegung "Peace now", wie ich ihrem Artikel entnehme. Seltsam: Wenn "Friede jetzt" das Ziel ist, warum dann die bis zum Überdruss wiederholten Argumente, weshalb Israel so und nicht anders handeln musste bzw. handeln muss? - Damit werden die Fronten von neuem abgesteckt, die Kämpfer auf beiden Seiten in Stellung gebracht. Drohend malt Brauer den Ausgang des Problems aus, als Angstvision der israelischen Seite, als Projektion palästinensischer Sehnsüchte: eine Zukunft, in der der Judenstaat eine wilde Episode der Nachkriegszeit gewesen sein wird. - Ich sehe den Friedensgedanken nicht in diesen Schlussfolgerungen . . .

Nun möchte ich Brauer nicht unterstellen, sie habe bewusst polemisiert. Wohl bekannt aber ist mir der politische Reflex des Lagerdenkens, den ich hier erkenne, das Lagerdenken, zu dem wir - die Kinder des Kalten Krieges - erzogen wurden. Ob das nur für diese zwei nach dem Krieg aufgewachsenen Generationen gilt, werden die Nachgeborenen mit klarerem Blick beurteilen können. Die politische Bildung der Gegenwart ist jedenfalls davon entscheidend geprägt. Die Erziehung zum politischen Menschen ist demnach eine Art Gehirnwäsche - welchen Inhalts, hängt vom Lager der Erzieher ab.

Verlogen


Timna Brauer als Kind einer Israeli und teilweise in Israel aufgewachsen, sollte mehr Möglichkeiten haben, weil sie durch ihre Familie zwei Kulturen kennen lernte, einen gröss eren Horizont, mehr Toleranz und mehr Mitgefühl für "die anderen". Stattdessen erinnern mich ihre Argumente an politische Debatten der 70er-Jahre, bei denen sich die Befürworter israelischer Politik häufig als Antisemiten- erwiesen, denen die Siege der israelischen Armee widerwillige Bewunderung abrangen; die Linken waren dagegen äusserst kritisch gegenüber Israel und auf der Seite des palästinensischen Befreiungskampfes engagiert - beteuerten dabei aber ständig, dass sie Antifaschisten und bestimmt keine Antisemiten seien; und eine dritte Gruppe erklärte jegliche Kritik an Juden, nach allem, was ihnen die Nazis angetan hatten, für unzulässig. Das waren die ersten politischen Gespräche, die ich hörte. Ich fand sie schrecklich verlogen - stellte aber bald fest, wie oft dieses Muster sich auch in anderen Zusammenhängen wiederholte: Wer dafür ist, muss dagegen sein. Sonst gibt es keine Gruppe, zu der man gehört, keine Partei, nicht einmal eine politische Meinung. Nichts hat sich daran geändert. Das jüngste Beispiel ist eine "humanitäre Reise": Haider fährt in den Irak. Er spricht vom Elend der Kinder, von Tausenden Leukämieerkrankungen, von medizinischer Unterversorgung. Das wird mit hämischem Grinsen kommentiert. Haider wolle nicht das Wohl der Kinder, sondern nur Skandal, Österreich im- Ausland diskreditieren, sich wichtig machen, die Koalition bedrohen und anderes Böses mehr.

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